In der aktuellen Podcast-Folge von Good Life, Good Business habe ich gemeinsam mit David mit Basti Koch gesprochen – einem Menschen, der sich mit Leidenschaft dem Thema Lernen verschrieben hat. Basti arbeitet als Instructional Designer und gestaltet Lernprozesse, die Menschen wirklich erreichen. Nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe.
Wir haben darüber gesprochen, wie Lernkultur entsteht, warum viele Organisationen noch nicht so veränderungsfähig sind, wie sie glauben – und was das alles mit Haltung, Führung und gutem Storytelling zu tun hat.
Es war eines dieser Gespräche, die nachhallen. Nicht, weil wir völlig neue Erkenntnisse gewonnen hätten, sondern weil wir beide spüren: Es sind oft die einfachen Dinge, die am schwierigsten umzusetzen sind.
Wenn Führung beim Lernen beginnt
Im Gespräch mit Basti wurde einmal mehr deutlich, wie eng unsere Lernkultur mit unserer Organisationskultur verbunden ist. Werte treiben unser Handeln – ob bewusst oder unbewusst. Und aus unserem Handeln entsteht Kultur. Wenn Führungskräfte also wollen, dass in ihren Unternehmen eine echte Lernkultur entsteht, dann müssen sie genau dort ansetzen: bei sich selbst.
Basti hat das wunderbar auf den Punkt gebracht: Führung beginnt beim eigenen Lernen. Wer als Führungskraft auf die Frage „Was lernst du gerade?“ keine Antwort findet oder nur von privaten Hobbys erzählt, übersieht etwas Wesentliches. Lernen ist kein nice-to-have, sondern Teil professioneller Verantwortung. Führung heißt, sichtbar lernend zu sein – Fehler zuzugeben, neugierig zu bleiben und offen darüber zu sprechen, wo man selbst noch wachsen möchte.
Zwischen Regulierung und Ermöglichung
In Deutschland – und generell in der EU – lieben wir Reglementierung. Das gibt uns Sicherheit, macht uns aber gleichzeitig oft träge. Wenn es um modernes Lernen geht, brauchen wir das Gegenteil: Flexibilität, Mut und Gestaltungsspielraum.
Basti hat völlig recht, wenn er sagt, dass Management, Betriebsräte und Gewerkschaften gemeinsam neue Wege finden müssen, Lernen zu ermöglichen – statt in der „Dürfen wir das überhaupt?“-Haltung zu verharren.
Das erinnert mich stark an den Unterschied zwischen einem Fixed Mindset und einem Growth Mindset: Statt zu fragen, ob etwas geht, sollten wir fragen, wie wir es möglich machen können.
Wie fit sind wir für die Zukunft?
Eine Studie von Accenture, die Basti im Gespräch erwähnte, hat mich besonders beschäftigt. Sie untersucht, wie anpassungsfähig Unternehmen auf den stetig wachsenden Veränderungsdruck reagieren – Stichwort „Future Readiness Gap“.
Fast 95 % der befragten Führungskräfte erwarten, dass sich die Welt bis 2025 mindestens genauso schnell, wenn nicht sogar schneller weiterentwickeln wird. Gleichzeitig sagen 58 % dieser Executives, dass ihre Organisation dafür nicht vorbereitet ist. Und noch klarer: 69 % der Mitarbeitenden sehen das genauso.
Da ist er also, dieser Gap – die Lücke zwischen Veränderungsdruck und Veränderungsfähigkeit.
Ich glaube, Basti hat recht, wenn er sagt: Eine Organisation kann sich nie so schnell verändern wie die Welt. Das muss sie auch gar nicht. Entscheidend ist, dass sie schneller lernt als ihre Wettbewerber.
Wenn das neue Herz abgestoßen wird
Ich erlebe in meiner Arbeit immer wieder, dass Unternehmen in großen Transformationen genau hier stolpern. Ein Beispiel aus meinem Beratungsalltag: Ein Unternehmen hat seine komplette IT ausgetauscht – eine Art Herztransplantation. Technisch lief alles, und doch sagten die Mitarbeitenden: „Das funktioniert nicht.“
Sie verschickten keine Rechnungen mehr, weil sie glaubten, das System sei defekt. Das Unternehmen war dabei, sich selbst lahmzulegen – nicht, weil die Technik versagte, sondern weil die Menschen nicht bereit waren, ihre alte Gewohnheit loszulassen.
Ich sagte zu der Verantwortlichen damals: „Du bist wie Cassandra – du siehst, was kommt, aber niemand hört dir zu.“
In solchen Momenten hilft es, Transformation fast wie ein Sozialprojekt zu betrachten. Die Frage ist: Aktivieren sich die Überlebenskräfte des Organismus oder stößt er das neue Herz ab?
Lernen auf Augenhöhe
Genau deshalb berührt mich Bastis Ansatz als Instructional Designer so sehr. Gutes Lernen entsteht auf Augenhöhe. Es geht nicht darum, dass jemand „da oben“ erklärt, wie es geht. Es geht darum, Menschen dort abzuholen, wo sie wirklich stehen – mit ihren Fragen, Zweifeln und Erfahrungen.
Ein Beispiel, das er brachte, hat mir gefallen: Wenn ich als Projektleiterin im Schwarzwald stehe und agile Arbeitsmethoden einführen will, hilft mir kein Hochglanzvideo aus dem Silicon Valley. Mich erreicht die Erfahrung eines Kollegen aus dem Harz, der vor zwei Jahren genau das getan hat – mit all seinen Fehlern, Erkenntnissen und echten Geschichten.
Und genau das ist der Punkt: Storytelling. Geschichten schaffen Verbindung. Sie machen Lernen emotional, relevant und anschlussfähig. Das gilt für e-Learning genauso wie für Führung.
Transformation braucht Wiederholung
Als Organisationsentwicklerin sehe ich oft, dass Führungskräfte unterschätzen, wie oft sie ihre Botschaften wiederholen müssen, bis sie wirklich ankommen. Eine Geschichte einmal zu erzählen reicht nicht. Kultur entsteht durch Wiederholung, durch Dranbleiben, durch dieses „Nicht-müde-Werden“.
Ich erinnere mich, wie ich selbst über Monate immer wieder erklärt habe, was Organisationsentwicklung eigentlich bedeutet. Und irgendwann – fast unmerklich – hörte ich andere darüber sprechen. Da wusste ich: Jetzt trägt es Früchte.
Es ist wie mit einem Kind, das laufen lernt – irgendwann macht es den ersten Schritt allein.
Lernen, wenn es relevant ist
Zum Abschluss haben wir darüber gesprochen, was gutes Lernen in Organisationen heute wirklich braucht. Der wichtigste Punkt: Lernen muss anschlussfähig und integriert sein. Ein Leadership-Seminar ein halbes Jahr vor der ersten Führungsverantwortung bringt wenig. Lernen wirkt dann, wenn es im Moment der Relevanz stattfindet – wenn ich es unmittelbar anwenden kann.
Und es braucht Leichtigkeit. Menschen lernen, wann und wo es für sie passt – manchmal sonntags um halb sechs, manchmal mitten in einer CEO-Ansprache. Entscheidend ist nicht, ob das Arbeitszeit ist, sondern dass Lernen möglich ist.
So, wie James Clear in Atomic Habits beschreibt: Veränderung entsteht durch kleine, wiederkehrende Schritte. Mikrogewohnheiten. Oder, um es auf unsere Arbeit zu übertragen: durch Mikro-Lernen. Schritt für Schritt.
Fazit
Lernkultur entsteht nicht durch Tools, Prozesse oder Plattformen. Sie entsteht durch Haltung.
Durch Führungskräfte, die vorleben, dass Lernen Teil ihrer Identität ist.
Durch Organisationen, die Veränderung nicht abwehren, sondern gestalten.
Und durch Geschichten, die uns zeigen: Wir alle sind Lernende – jeden Tag aufs Neue.
Also, packen wir es an und lassen uns inspirieren!
Bleibt neugierig –
eure Vaya Wieser-Weber,
und das Team der Impulspiloten